Zeitenwende im Wärmemarkt – ein Schlüssel liegt im Dialog

Branchenseminar der Allianz Freie Wärme am 20. Mai 2022 | Vortragsprogramm mit vielen Tipps aus Theorie und Praxis | Kommunale Wärmeplanung forciert zentrale Wärmenetze

Camina & Schmid, Bissendorf

Branchenseminar Allianz Freie Wärme

Colin Rokossa, Sprecher Allianz Freie Wärme, GF Camina & Schmid

03.06.2022 | Unter dem Titel „Freie Wärme Impulse 2022: Zeitenwende im Wärmemarkt – Kommunale Wärmekonzepte zeichnen den Weg“, fand im Mai bei Camina & Schmid das diesjährige Seminar für Branchenakteure statt. Was in Bissendorf bei Osnabrück zunächst als vorausschauendes Motto im Wärmemarkt gedacht war, ist mittlerweile längst Realität geworden. Die Zeiten haben sich komplett geändert. Wohl noch nie war die Heizungs- und Ofenbranche mit Industrie, Handwerk und Handel solchen Herausforderungen ausgesetzt, wie sie sich jetzt Tag für Tag stellen. Demnächst nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch bundesweit: Die kommunale Wärmeplanung durch Städte und Gemeinden. „Als wir die Freie Wärme-Veranstaltung zu Beginn des Jahres planten, hatten wir bereits mit Energie- und Klimawende, sowie Vorgaben der neuen Bundesregierung für den Gebäudesektor ein anspruchsvolles Szenario vor Augen. Dann kam aber noch der Ukraine-Krieg mit all den schrecklichen Folgen hinzu, inkl. den energiewirtschaftlichen Auswirkungen auf die Europäische Union“, sagte Colin Rokossa, Sprecher der Allianz Freie Wärme, in seiner Begrüßungsrede.

„Gut gelungen“ und eine „runde Sache“

Trotz gefüllter Auftragsbücher und den branchenweiten Personalengpässen, waren zahlreiche Teilnehmer der Freie Wärme-Einladung gefolgt. „Ich freue mich vor allem darüber, dass wir heute Gäste aus so unterschiedlichen Feldern des Wärmemarktes dahaben. Dies zeigt, dass wir alle im Umfeld von Nah- und Fernwärme pro individueller Heizungs- und Ofentechnik das gleiche Ziel verfolgen, und daher in die gleiche Richtung arbeiten müssen“, so Colin Rokossa. Aufgrund des zu erwartenden Ausbaus zentraler Wärmenetze, insbesondere im Rahmen kommunaler Wärmeplanungen, hatte die Freie Wärme das Seminarprogramm recht breitgefächert zusammengestellt, was nach der Veranstaltung vielfach als „gut gelungen“ und „runde Sache“ bewertet wurde.

Impulse für praxistaugliche Lösungen

Ziel der Veranstaltung war es, neben aktuellen Marktdaten der zentralen Verbände, grundlegende Informationen sowie Erfahrungsberichte zu zentralen Wärmenetzen und ihren Auswirkungen aufzuzeigen, um dann aber auch entsprechend praxistaugliche Hilfsangebote und Lösungsszenarien anzubieten. Für den Sprecher der Allianz Freie Wärme ist eines der Kernprobleme z. B. für Familien direkt ausgemacht, wenn diese etwa ein Haus bauen möchten. Hier sei man sowieso schon zu Kompromissen gezwungen, um überhaupt zum Zug zu kommen, und dann müsse man sich noch auf 10 Jahre vertraglich festlegen, ohne flexible Kündigungs- oder Wechselmöglichkeiten. Wenn ein Anschluss-, Benutzungszwang oder Verbrennungsverbot per „Flucht ins Privatrecht“ im Immobilienkaufvertrag festgelegt ist, dann gilt diese Maßnahme über den Grundbucheintrag sogar unbegrenzt, selbst für Erben und Käufer.

Für dezentrale Wärmelösungen netzwerken

Wie man sich im Netzwerk mit Kollegen oder Bürgern gegen solche Zwangsvorgaben wehren kann, war einer der Programmpunkte. In der Regel ist dann nämlich von vornherein der marktwirtschaftliche Wettbewerb ausgeschaltet, das heißt, individuelle Heizungs- und Ofenlösungen können von den Bürgern gar nicht gewählt werden. „Am besten schließt man sich gewerkeübergreifend als regionales Bündnis zusammen, das zeigt Zusammenhalt und vereinfacht die Ideenfindung und Ausarbeitung von PR-Aktivitäten. Außerdem sollte man versuchen, die Kreishandwerkerschaft oder auch die IHK als Mitstreiter zu gewinnen“, empfiehlt Jürgen Bähr, von der Geschäfts- und Pressestelle Freie Wärme. Dadurch wäre auch eine gewisse Anonymität gegeben. Wenn ein so genannter „kommunaler Eingriff“ in den lokalen Medien oder über die kommunalpolitischen Kontakte absehbar ist, dann sei eine e-Mail an die Allianz Freie Wärme via info(at)freie-waerme(dot)de immer eine gute Lösung. „Wir melden uns recht schnell, helfen und unterstützen, gehen den Fall systematisch durch, um die Handlungsoptionen zu prüfen“, erklärt Jürgen Bähr.

Kommunale Absichten beobachten – früh aktiv sein

In der Regel kommt dann auch Dr. Jörg Lenk mit ins Spiel, er ist Umweltreferent beim Verband Energiehandel Südwest-Mitte e. V. (VEH), und verfügt über eine langjährige Erfahrung was solche Fälle betrifft. „Werden beispielsweise kommunale Eingriffe über Satzungen in Bebauungsplänen oder mit sonstigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen bzw. Verordnungen geplant, dann sind diese nicht immer zulässig“, berichtet Jörg Lenk. In seiner Datenbank befinden sich über 1.500 Anschluss-, Benutzungszwänge oder Verbrennungsverbote, aber auch nur die Spitze des Eisbergs, wie er sagt. Falls aber Hinweise vorhanden sind, die juristische Fehler in den Vorschriften erkennen lassen, wird von ihm ein erfahrener Verwaltungsrechtler aus Heidelberg hinzugezogen. „Es ist immer gut, sehr früh in die Entstehung kommunaler Eingriffe involviert zu sein. Sind die Zwangsvorgaben einmal da, bleibt meist nur noch das rechtliche Klageverfahren mit Hilfe von betroffenen Bürgern als Kläger“, so Jörg Lenk. So müssen die Kommunen bspw. mehrheitlich Zugriff auf die Entscheidungen und Handlungen von Stadtwerken oder anderen Institutionen haben, wenn diese die Wärmeversorgung per Wärmenetz betreiben. „Es lohnt sich also, sich anbahnende Fälle früh zu entdecken“, empfiehlt Jörg Lenk und fährt fort, „wenn sich die Branche nicht selbst hilft, von außen tut es keiner“.

Kommunale Wärmeplanungen mitgestalten

Nicht ganz so neu sind jetzt auch die bundesweit vorgesehenen Wärmeplanungen für Städte und Gemeinden. Im kürzlich vorgestellten Arbeitsplan „Energiesparen für mehr Unabhängigkeit“ des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz heißt es, dass man eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung einführen wolle, um den Ausbau der klimaneutralen Wärmeversorgung voranzutreiben. Die kommunale Wärmeplanung sei zentrales Koordinierungsinstrument für lokale, effiziente Wärmenutzung und strategische Planungs- und Investitionsentscheidungen. Ähnlich wie man sich nicht generell gegen Wärmenetze wendet, ist auch die Wärmeplanung aus Sicht der Allianz Freie Wärme ein gutes und hilfreiches Instrument, um die kommunale Wärmeversorgung klimafreundlich zu gestalten. „Aufgrund verschiedener Veröffentlichungen in Studienpapieren und Aussagen im klimapolitischen Beratungsumfeld befürchten wir jedoch, dass die Planungen direkt über Wärmenetze führen sollen, und dann ausgewogene, individuelle Lösungen etwa mit Biomasse, Holz, biologischen oder synthetischen Energieträgern gar nicht berücksichtigt werden“, sagt Colin Rokossa. Für die Info- und Serviceplattform ist diese eher einseitige Vorgehensweise klar vorhersehbar, und dass – wenn vorhanden – auch die Stadtwerke in die kommunalen Planungsprozesse direkt mit einbezogen werden. Entsprechend fielen auch die Schlussworte von Gastgeber Colin Rokossa aus: „Falls kommunale Wärmeplanungen vor Ort anstehen, müssen wir, die Akteure im Wärmemarkt, aktiver Teil davon sein. Wie heute mehrfach zu sehen und zu hören war, haben wir als Fachleute zielführende Lösungen für die es sich im Dialog mit Kommunalverwaltungen und Politik einzusetzen lohnt“.

 

Die Referenten und ihre Themen      

Dr. Jörg Lenk, Referent für Technik- und Umweltfragen beim VEH Südwest-Mitte, stellte vor, wie kommunale Eingriffe entstehen. So z. B. Verbrennungsverbote durch Satzungsbestimmungen bzw. Ortssatzungen, oder Anschluss- und Benutzungszwänge für Nah- und Fernwärme (ggf. Gas/Strom) über die Gemeindeordnung. 1.502 Fälle – die Spitze des Eisbergs – sind in seiner Datenbank dokumentiert. Mit Fallbeispielen gibt er Einblicke in die kommunalen Eingriffe und weist darauf hin, was man dagegen tun kann, wenn die Thematik früh entdeckt wird.

Dr. Peter Schiwek ist Gutachter und Sachverständiger für Energiewirtschaft. Er hat bereits in vielen Fällen unsachgemäße Berechnungen für Energie, insbesondere Fernwärme, nachgewiesen. So auch als Gutachter im Auftrag der Stadt Freiburg für das Baugebiet Gutleutmatten, mit der laut Medien „teuersten Fernwärme Deutschlands“. Eine inhaltliche Kürzung des Gutachtens wie vom Freiburger Bauamt gewünscht, lehnte er damals mit abwehrendem Hinweis auf „Gefälligkeitsgutachten“ ab. Seine Berechnungen, dass es sich um ein unwirtschaftliches Energiekonzept handelt, hatten die Aussagen des ersten Gutachters vor Baubeginn bestätigt. Sein Credo: die Verträge mit Wärme- und Energieversorgern genau und nach „Knebelansätzen“ prüfen. Oft sei die Plausibilität nicht gegeben, weil nicht nachvollziehbar ist, für welche Menge an Energie man welches und vor allem wie viel Geld bezahlt. Oft stehen die Kosten nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Abnahme und zum Verbrauch. 

Andreas Lücke, Senior-Expert beim BDH und Sprecher der Initiative Holzwärme, zeigt die Schritte und den Status der deutschen Klimaschutz- und Energiepolitik auf. Vor allem, dass die neue Bundesregierung in den ersten Monaten die Ziele für den Wärmemarkt und den Ausbau der Erneuerbaren Energien stark forciert und viele Gesetzesvorhaben angestoßen hat. Wobei ab dem 24.02. die Energiesouveränität mehr in den Fokus des politischen Handelns rückte, was die Bundesregierung veranlasste, die Ausbauziele für erneuerbare Energien im Osterpaket nochmals nach oben zu korrigieren. Weitere Präzisierungen sind im Sommerpaket aus dem BMWK zu erwarten. Bereits über das neue GEG festgeschrieben: für neu eingebaute Heizungen gilt bereits ab 01.01.2024 ein 65 % EE-Anteil. Der Effizienzhaus (EH) 50-Standard gilt zum 1. Januar 2023 für alle Neubauten.

Mit dem Start der BAFA-Fördermittelinitiative erfuhr der Wärmemarkt einen Boom. Aus einem sehr positiven Jahr 2020 kommend, konnte für den Heizungsmarkt im vergangenen Jahr dennoch ein zehnprozentiges Wachstum verzeichnet werden. Biomasse (41 %) und Heizungs-Wärmepumpen (28 %) legten am meisten zu. Andreas Lücke stellte zum Abschluss die aktualisierte Auflage der Broschüre „Holz – die große erneuerbare Energie“ vor (www.holzwaerme.info). Sehr viele Informationen darin basieren auf Daten der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Biomasse und Holz spielen seiner Meinung nach eine große Rolle, wenn man die politischen Ziele technologieoffen erreichen will.

Stellvertretend für Andreas Müller, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband Sanitär Klima Heizung (ZVSHK), berichtet Andreas Lücke, dass der Umsatz im SHK-Handwerk 2021 bei 52,8 Mrd. Euro lag. Davon wurden 24 % über Neubauten und 76 % über Altbauten erzielt. Aktuell liegt der Auftragsbestand bei 17,9 Wochen. Laut ZVSHK fehlen zurzeit 60.000 Installateure, zusätzlich 26.000 kaufmännische Mitarbeiter und 31.000 Auszubildende. Zunehmend berichten SHK-Betriebe Lieferprobleme seitens des Großhandels und der Hersteller.

Thomas Schnabel berichtet für den HKI, von 218.000 verkauften Kaminöfen im Jahr 2021 (2020: 191.000). Der Anschub kommt zum einen durch Förderung und Austausch, aber auch pandemiebedingt durch die Bereitschaft mehr Geld in das neu entdeckte „zu Hause“ zu investieren. Der momentane Trend wird zusätzlich noch durch die Energiekrise gestützt.

Guido Eichel, Vorstand HAGOS Verbund deutscher Kachelofen- und Luftheizungsbauerbetriebe eG, und Vorstandsmitglied Gesamtverband Ofenbau e.V. (GVOB), präsentiert für die beiden vergangenen Jahre ebenso Zuwächse, mit jeweils über 120.000 neu gebauten Kachelöfen und Heizkaminen. Als positives Signal in die Politik sieht er die auffällige Zunahme bei den Grundöfen, dass die Öfen von den Kunden nämlich zunehmend zur Wärmeerzeugung und -speicherung und nicht als Anschauungsobjekt gesehen werden.

Jürgen Bähr leitet seit 2013 die Geschäfts- und Pressestelle der Allianz Freie Wärme (www.freie-waerme.de). Er erläutert die Systematik der Entstehung kommunaler Eingriffe und stellt entsprechende Hilfs- und Serviceangebote vor. Die Projektanbahnungen frühzeitig entdecken und mit branchenübergreifender Netzwerkarbeit beginnen, sind das A & O bei der möglichen Vermeidung kommunaler Eingriffe in den Wärmemarkt. Vor allem wenn jetzt zunehmend Wärmeplanungen in Städten und Gemeinden stattfinden. Nach Ansicht der Freien Wärme müssen sich Handwerk, Handel und Industrie aktiv an den kommunalen Konzepten beteiligen. ? e-Mail  info(at)freie-waerme(dot)de    

Stefan Eisele, Präsident Landesverband Schornsteinfegerhandwerk Baden-Württemberg, empfiehlt für die Akteure im Wärmemarkt eine nach sechs Prinzipien klar ausgerichtete Lobbyarbeit auf Augenhöhe mit der Politik. Klarheit, Transparenz und Authentizität gegenüber dem Gesprächspartner spielen dabei eine große Rolle.

Bernd Kohl, Energieberater, 2. Vorsitzender GIH NRW e.V., berichtet von einer Zunahme der Nahwärme im Neubaubereich, insbesondere auf Basis landwirtschaftlicher Biomasse – sofern mengenmäßig verfügbar auch in größeren Heizkraftwerken. Ansonsten seien bei Wärmenetzen die hinterlegten Primärenergiefaktoren besonders zu hinterfragen, weil doch recht viel „Greenwashing“ betrieben werde. Solarthermie und Abwärme aus gewerblichen Prozessen kämen jetzt als positive Faktoren zunehmend hinzu. Die Verfügbarkeit und Einbindung erneuerbarer Energien wäre auch insbesondere für die Kalte Nahwärme enorm wichtig, die zwar ein gutes Konzept sei, aber es müsse parallel für die Wirtschaftlichkeit auch die Anschlussdichte entsprechend passen.

Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz, ITG Dresden, stellt im Zusammenhang mit der 65 % EE-Regel ab 2024 für neu eingebaute Heizungen das „Kaskadische Erfüllungsprinzip“ vor. In Stufe eins befinden sich zwei präferierte Optionen, eine elektrisch angetriebene Wärmepumpe oder eine Haus-Übergabestation zum Anschluss an ein Wärmenetz. Ist dies nicht möglich, kommen in Stufe zwei eine Wärmepumpen-Hybrid-Heizung (Kombination mit Öl, Gas, Solar) beziehungsweise eine Renewable Ready-Heizung oder eine Heizung mit Biomasse oder 65 % grüne Gase in Frage. In Stufe drei kommt der so genannte Härtefall zum Tragen, wenn Stufe eins und zwei nicht umsetzbar sind. Stufe zwei und drei sind durch Sachkundige nachzuweisen. Darüber hinaus empfiehlt er z. B. Herstellern von Einzelraumfeuerstätten in der derzeitigen Konstellation einen Strategiewechsel mehr hin zur Kombination mit der Wärmepumpe. Um die Klimaziele zu erreichen ist seiner Meinung nach eine grundlegende Umgestaltung der bisherigen Wärmeversorgung erforderlich, d. h. sowohl zentrale als auch dezentrale Wärmeversorgungslösungen müssen mit einbezogen werden. Neben der energie- und klimapolitischen Weichenstellung für Wärmepumpen und Wärmenetze, sollten jedoch alle weiteren Optionen wie feste Biomasse, regeneratives Flüssiggas, Solarthermie, PV im kleineren Umfang ebenso berücksichtigt werden.

Alexander Schuh, Leiter Verbandsmanagement, Vaillant Deutschland GmbH & Co. KG, erläutert, dass 75 % der deutschen Heizungen noch fossil betrieben werden und sich viele der Häuser in schlechtem bzw. unsaniertem Zustand befinden. Wenn man Verkehr und Gebäude elektrifizieren möchte wird die Herausforderung vor allem daraus bestehen, dass der bis 2050 mit 1,4 Millionen Terawattstunden prognostizierte Strombedarf eher höher liegen wird. Hinzu komme der extreme Fachkräftemangel, den man zusammen mit dem ZVSHK und der Bundesregierung über Quereinsteigerprogramme entschärfen will. Darüber hinaus sei von der Politik gar nicht bedacht worden, dass der Einbau von Wärmepumpen im Gebäudebestand für Beratungsgespräche, Messungen und Installation viel zeitaufwändiger ist und Schulungsmaßnahmen im Handwerk erfordert. Selbst Betriebe im mittleren Erfahrungsbereich benötigen nach eigenen Recherchen insgesamt 110-120 Stunden für den Einbau einer Luft-Wasser-Wärmepumpe.

 

Die vorgestellten Fälle

Villingen-Schwenningen: Aufhebung von Verbrennungsverboten

Live nach Bissendorf hinzu geschaltet war Werner Rottler, Schornsteinfegermeister in Villingen-Schwenningen, der im Mai 2020 die Allianz Freie Wärme einschaltete. Seit Jahren schon existierten für vier Wohngebiete Verbrennungsverbote für flüssige und feste Brennstoffe, obwohl es schon Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gab, diese aufzuheben. Jetzt, im Vorfeld einer Gemeinderatssitzung und im Rahmen eines anfechtbaren Gutachtens, sah man eine realistische Chance, diese Verbrennungsverbote zu beenden. Viel Zeit hatte man nicht, Eile war geboten, wenn man sowohl den Oberbürgermeister und die Fraktionen im Gemeinderat wie auch die Öffentlichkeit noch rechtzeitig über falsche sowie unrechtmäßige Schlussfolgerungen im Gutachten informieren wollte. Schaltzentrale war die Allianz Freie Wärme. Aber dass am Ende mit der Aufhebung alles funktionierte, hatte im Rahmen der guten Teamarbeit mehrere Erfolgsfaktoren: Drei Wochen vor der Gemeinderatssitzung wurde das Gutachten durch Werner Rottler und via Dr. Jörg Lenk an den Heidelberger Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Jürgen Behrendt, gegeben. Dieser fand nach eingehender Prüfung des Gutachtens heraus, dass die vorgesehene künftige Zulassung von Holzpellets und leichtem Heizöl, jedoch nicht von Stückholz oder Scheitholz, zu einer Vielzahl von rechtswidrigen und damit unwirksamen Bebauungsplänen führen würde. Zumal allein die Annahme einer in der Realität tatsächlich nicht zu erwartenden Geruchsbelästigung juristisch nicht haltbar gewesen wäre. So konnten der anwaltliche Kommentar als Brief an den Oberbürgermeister, nebst gemeinsamer Freie Wärme-Pressemitteilung zeitnah erstellt und von Werner Rottler sowie dem Aktionsbündnis Individuelles Heizen Baden-Württemberg verteilt werden. Letztlich hatte sich auch der gute kontinuierliche Kontakt zur Kommunalpolitik mit fachlichen Informationen und Gesprächen positiv auf die Entscheidungen ausgewirkt. Einzelne, knappe Abstimmungsergebnisse zu den Wohngebieten sorgten am Ende für ein Aufatmen bei den Kaminofenbesitzern.

 

Tübingen: Bündnis Freie Wärme findet Dialog mit Kommunalpolitik

„Meine Kinder wollen bauen und können sich aber nicht die Heizungstechnik aussuchen.“ Diese Aussage einer Kundin veranlasste Schornsteinfegermeister Jens Meyer Anfang 2021 die Allianz Freie Wärme zu kontaktieren. „Die monopolartige Alleinstellung der Tübinger Stadtwerke, wenn es um Energiethemen geht, nimmt überhand, zumal ein extremer Ausbau der Nahwärme in und um Tübingen geplant ist“, berichtete Jens Meyer zu Beginn des Projekts. Er wünschte sich eine Informationsschrift mit der man die Kunden aber auch die Kommunalpolitik auf sich und die Thematik aufmerksamen machen kann. Es war klar, dass man sich in Tübingen kommunalpolitisch auf schwierigem Terrain bewegen würde. Nachdem aber Dr. Jörg Lenk im Ratsinformationssystem herausfand, dass es sich im Rahmen eines ambitionierten, kommunalen Wärmeplans um insgesamt 14 Fernwärmeprojekte handelt, eingewebt in ein milliardenschweres Klimaschutzprojekt, dessen Finanzierung noch unklar war, wurde schnell entschieden, dass sich die Allianz Freie Wärme der Sache annimmt. Zumal sich ebenso schnell mehrere Mitstreiter aus dem Wärmemarkt für die Projektarbeit zusammenfanden. Bisher einzigartig auch die Finanzierung des Lobbyprojekts über diese Solidargemeinschaft. In 22 Video-Konferenzen wurde alle 14 Tage beraten, wie man vorgeht. Ziel war es, als Bündnis des Wärmemarkts die Tübinger Kommunalpolitik mit seinen Botschaften zu erreichen. In der Gemeinderatsfraktion „Tübinger Liste“ fand man einen Allianzpartner, der mit den sehr einseitigen kommunalpolitischen Beschlüssen ebenso nicht einverstanden war. Mit einer Pressemitteilung und einem Flyer als Beilage in der Regionalzeitung wurden Bürger und Kommunalpolitik informiert. Es folgten Gespräche mit den Stadtwerken, der Tübinger Liste und die Podiums-Teilnahme an einer Infoveranstaltung der regionalen Klimaschutzagentur. Eine eigene, sehr gut besuchte, sehr offen geführte Informations- und Diskussionsveranstaltung für die Kommunalpolitik bildete in diesem Februar den zwischenzeitlichen Höhepunkt der regionalen Bündnisarbeit. „Es ist uns mit der Veranstaltung für die Kommunalpolitiker gelungen, unser Handeln und unsere Beweggründe pro Klimaschutz und pro technologieoffener Lösungen glaubhaft darzustellen, wir sind nach langer Zeit wieder im Dialog“, freut sich Norbert Schnitzler, Kreishandwerksmeister. 

 

Bündnis Freie Wärme Tübingen:

  • Kreishandwerkerschaft | www.khs-tuebingen.de
  • Innungen und Betriebe des Handwerks (Heizungs- und Ofenbau, Schornsteinfeger)
  • Energiefachhandel (Betriebe und VEH Südwest-Mitte e.V.)
  • Ofenindustrie/-handel (HKI, HAGOS)
  • Aktionsbündnis Individuelles Heizen Baden-Württemberg e. V. | c/o FV SHK BW
  • Allianz Freie Wärme