Individuell heizen und Klima schützen – Interview mit Jürgen Bähr, Allianz Freie Wärme

„Kunden gehen verloren, weil Sie als einer der Umsetzer der Energiewende gar nicht mehr gefragt werden!“ | Interview im Magazin Feuerbote zu meist monopolistischen Wärmenetzen, bei deren Planung marktwirtschaftlicher Wettbewerb zum Nachteil der Endkunden eher außen vor bleibt.

Feuerbote 2021/22 von Camina & Schmid

Interview mit Jürgen Bähr, Allianz Freie Wärme

Klimaschutz ist in aller Munde. Insbesondere im Gebäudebereich gibt es bundesweit noch viel Potenzial, Energie und damit Kosten einzusparen, aber auch um CO2-Emissionen zu reduzieren. Moderner Heizungs- und Ofentechnik unter Einbindung erneuerbarer Energien kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Exklusive Lösungsansätze von der Stange gibt es für Energiewende und Klimaschutz nicht. Auch wenn sich zum Beispiel Wärmenetzanbieter als alleinige Heilsbringer darstellen. Denn jedes Baugebiet und jedes Gebäude bringt eigene Herausforderungen mit sich. Die Angebote an Bürger und Hausbesitzer müssen, um sie zu gewinnen, auf deren Bedürfnisse und Möglichkeiten technologieoffen für moderne, individuelle Heizsysteme sein. Wir führten dazu ein Gespräch mit Jürgen Bähr von der Info- und Serviceplattform Allianz Freie Wärme.

Herr Bähr, warum gibt es die Allianz Freie Wärme und was sind ihre Aufgaben?

Jürgen Bähr: Wenn es in Neubaugebieten und bei Quartierssanierungen zum Einsatz von Nah- und Fernwärmenetzen kommt, geschieht dies oft mit so genannten kommunalen Eingriffen. Das heißt, per Satzungsbeschluss oder Grundbucheintrag wird die Nutzung der zentral erzeugten Wärme mit Anschluss-, Benutzungszwang und Verbrennungsverbot alternativlos vorgegeben. Dies lehnen wir ab. Die Bürger dürfen nämlich nicht mehr die individuelle Heizungs- und Ofentechnik sowie die von ihnen bevorzugten Energieträger wählen. Es gehen dadurch entscheidende Vorteile für sie verloren. Die Allianz Freie Wärme klärt hierüber zum Beispiel auf der Website oder mit Broschüren auf, gibt Tipps und setzt sich auch vor Ort zusammen mit dem Handwerk und dem Handel für die freie Heizungswahl ein.

Welche Probleme stellen sich denn mit den zentralen Wärmenetzen für Bürger und Hausbesitzer ein?

JB: Nah- und Fernwärme können unter bestimmten Voraussetzungen hilfreich sein. Wir sehen sie auch als Freie Wärme, wenn sie frei wählbar und wirtschaftlich sind, aber sie sind ja nicht automatisch wirtschaftlich. Denn in der Regel wird von den Kommunen und Betreibern über die Zwangsvorgaben versucht, das Netz kostendeckend oder mit Gewinn zu betreiben. Die Wärmekunden sind dann meistens zehn Jahre oder länger ohne Alternative und Kündigungsoption vertraglich gebunden. Verbraucherschützer sprechen von in den Wärmenetzen gefangenen Kunden. Aber es geht ja noch weiter. Als Hausbesitzer verliere ich meine Unabhängigkeit und Flexibilität, zum Beispiel bei der Wahl der Heizungstechnik und der Energieträger. Ich bin an vorgegebene Preise gebunden und kann von Einkaufs- und Bevorratungsvorteilen, wie z. B. regional verfügbarem Holz, nicht profitieren.

Nah- und Fernwärme werben oft mit geringeren Kosten, Klimaschutz und geringeren Wartungskosten…

JB: Also man muss ganz klar festhalten, zentrale Wärmenetze sind nicht die exklusive und schon gar nicht die alleinig optimale Standardlösung. Dies haben in der Vergangenheit schon mehrere Studien gezeigt, bei denen gängige Berechnungsverfahren zum Einsatz kamen. Denn selbstverständlich werden die enormen Investitionen in die Wärmenetze sowie Betriebs- und die Wartungskosten auf die Wärmekunden umgelegt und immer wieder angepasst. Auch der Anteil erneuerbarer Energien ist nicht garantiert. Mit individuellen Heizungslösungen habe ich aber die Möglichkeit, effiziente Heizungstechnik und hohe Wirkungsgrade miteinander, aber auch unter Einbindung erneuerbarer Energien zu kombinieren.

Wenn ich zum Beispiel die 20 Jahre alte Heizung effizient ersetze und mit einem Kaminofen und Solarthermie ergänze, spare ich nicht nur Energie und Kosten, sondern tue auch aktiv etwas fürs Klima. Je nach eingesetzter neuer Heizungstechnik kann man mit seinem Haus und einer Modernisierung die CO2-Emissionen um bis zu 9,5 t CO2 im Jahr reduzieren.

Jetzt sind Sie auch vor Ort in der Region aktiv, wenn sich ein Wärmenetz anbahnt. Was tun Sie dann genau und worauf kommt es dabei besonders an?

JB: In der Regel melden sich Heizungsbauer oder Schornsteinfeger bei uns, um uns entsprechende Aktivitäten im Gemeinde- oder Stadtrat mitzuteilen. Je früher wir davon erfahren desto besser, weil wir idealerweise noch in die Informations- und Entscheidungsprozesse in den Gremien eingreifen können. Nach Analyse der kommunalen Absichten und Planungen geht es darum, ein möglichst breites Freie Wärme-Netzwerk zu bilden. Es ist von großem Vorteil, wenn man als Team gegenüber der Politik, im Vergleich zur Nahwärme, die Vorteile individueller Heizungstechnik erläutert. Daher sollten Heizungs- und Ofenbauhandwerk, Schornsteinfeger wie auch andere Gewerke als Innungen und Betriebe, der Energiehandel sowie Verbände bis hin zu Kreishandwerkerschaften und IHK zusammenarbeiten.

Kann man gegen Nahwärmeplanungen überhaupt bestehen, und welche Tipps geben Sie dafür den Akteuren im Wärmemarkt?

JB: Obwohl monopolistisch geprägte Wärmenetzanbieter wie etwa Stadtwerke oder Energiegesellschaften viel größere finanzielle Budgets für ihre Lobbyarbeit und ihr Marketing haben, hat auch die Freie Wärme gute Chancen. Wir plädieren für einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb und haben auch technisch gesehen wirklich gute Argumente. Wichtig ist, aufmerksam zu sein, damit man kommunale Entwicklungen frühzeitig erkennt. Meines Erachtens ist aktive Freie Wärme-Arbeit ein extrem wichtiger Teil des Standort-Marketings der Innungen, Betriebe und Verbände. Äußere ich mich nämlich nicht proaktiv zu den Themen und kläre die Kommunalpolitik zu planerischen Fallstricken nicht auf, dann finde ich mit meinen tollen Produktangeboten und Services etwa in Neubaugebieten gar nicht mehr statt. Kunden gehen verloren, weil Sie als einer der Umsetzer der Energiewende gar nicht mehr gefragt werden. Je aktiver man im Vorfeld ist, desto besser kann man sich in die Geschehnisse einbringen. Und wir haben – wie gesagt – gerade was aktiven Klima- und Verbraucherschutz betrifft, gegenüber zentralen Wärmenetzen sehr gute, praxistaugliche Lösungsansätze, die sich vielfach rechnen.

Herr Bähr, vielen Dank für das Gespräch.