Leipzig mit teuerster Fernwärme Deutschlands?

Ingo Werthmann
Ingo Werthmann, Foto: I. Werthmann

In einem offenen Brief an den Oberbürgermeister und die Stadträte schreibt der Leipziger Bürger Dipl.-Ing. Ingo Werthmann Ende Februar, dass die städtischen Fernwärmekunden schon längst unter den bundesweit vermeintlich höchsten Fernwärmepreisen stöhnen. Aber ab Januar kam jetzt noch für das Produkt „Leipziger wärme.komfort“ eine satte Preissteigerung hinzu. Seiner Meinung nach dienen die Mehreinnahmen mehr oder weniger als Querfinanzierung der Leipziger Verkehrsbetriebe.

Als Begründung wird unter anderem die Steigerung des Heizölpreises herangezogen. „Letztlich steigt der Arbeitspreis für Leipziger wärme.komfort um 6,3 Prozent, damit einhergehend wird sozusagen klammheimlich auch der Grundpreis um 4,5 Prozent angehoben“, ärgert sich Ingo Werthmann, der für die Tankstellenkette Q1 als Standortberater arbeitet. Er kritisiert in seinem Schreiben, dass Heizöl bei der Fernwärmeerzeugung in Leipzig gar nicht eingesetzt wird, und der Heizölpreis in 2019 eine Seitwärtsbewegung vornahm und somit nahezu konstant geblieben sei.

Nach Forderungen des Bundesgerichtshofs, so Werthmann, müsse eine Preisänderung die kostenmäßigen Zusammenhänge widerspiegeln, d. h. sich an den Kosten der Wärmeerzeugung, also dem Preis des überwiegend eingesetzten Brennstoffes orientieren. Preisgleitklauseln müssten dabei ein Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit aufweisen, dass mindestens dem Niveau entspricht, welches der Bundesgerichtshof im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB fordert.

Die Preiserhöhungen seien deshalb nicht nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass das Kraftwerk Lippendorf Braunkohlestrom und als Abfallprodukt Fernwärme zu 80 Prozent für die Stadt Leipzig produziert. Wobei sich der Braunkohlepreis nach Ansicht des Bundeskartellamts auf die Fernwärmekosten wiederum als preisstabil und auch preisdämpfend auswirken würde. 

Ähnlich fragwürdig sind die Zusammenhänge beim Erdgas. Das GUD-Kraftwerk Roscherstraße verwendet Erdgas für die Herstellung von Strom und Fernwärme. Aber der Erdgaspreis für Privatkunden wurde durch die Stadtwerke Leipzig für das Jahr 2020 weiter gesenkt, da auch die Einstandspreise für Erdgas im Großverbraucher-Segment ebenso sanken. So ist der Gaspreis in den letzten drei Jahren um 27,1 Prozent und in den letzten zwölf Monaten um 32,7 Prozent gesunken.

Dieser Preisvorteil wird jedoch nicht an die Fernwärmekunden weitergereicht. Im Prinzip wird wie schon in den Vorjahren auch für 2020 eine direkte und indirekte Preissteigerung durch die Stadtwerke Leipzig vorgenommen. „Sollen etwa die hohen Stillstandzeiten des Gaskraftwerks querfinanziert werden?“, fragt sich Ingo Werthmann. Immerhin war es 2017 nur 162 Tage im Einsatz, die milden Winter und 2018 und 2019 haben den Einsatz weiter verringert.

Offenbar brachte auch die große Tarifreform aus 2016 zur Leipziger Fernwärme keine Verbesserungen. Diese war erst auf Druck des Bundeskartellamtes erfolgt. „Wir wurden Opfer eines Taschenspielertricks“, ärgert sich Ingo Werthmann. Denn der hohe Wärmearbeitspreis wurde einfach geteilt, und der Basisgrundpreis in einen Grundpreis umbenannt. Konnte der Fernwärmekunde vor dem Jahr 2017 – trotz hohen Arbeitspreises – aktiv seine Fernwärme-Rechnung durch sein Heizverhalten steuern, so wurde ihm diese Möglichkeit dann genommen bzw. stark eingeschränkt. Bei einer Fernwärmeabrechnung beträgt der Grundpreis bereits jetzt die Hälfte, oder liegt teilweise sogar über der Hälfte der gesamten Fernwärmerechnung.

Reaktionen aus der Politik gab es bisher noch nicht auf den offenen Brief. Für den Ingenieur war dies allerdings nicht die erste und letzte Beschwerde als Kunde der Stadtwerke. Er kritisiert das verbraucherunfreundliche Handeln der Kommunalpolitik schon seit Jahren. „Durch die politischen Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke Leipzig werden die ständigen Erhöhungen der Fernwärmepreise einfach abgenickt, um dadurch etwa eine Querfinanzierung an die Leipziger Verkehrsbetriebe zu ermöglichen“, kritisiert Ingo Werthmann die Vorgehensweise der Stadträte. Ein Drittel der Leipziger Bevölkerung finanziere dadurch die Leipziger Busse und Bahnen.


Blick über Leipzig in Richtung Kraftwerk Lippendorf II
Blick über Leipzig in Richtung Kraftwerk Lippendorf II, Foto: I. Werthmann